Hettstedt bei der Deutschen Meisterschaft Grundschulen - Das Schachfestival
Der Zugang zum schönen Spiellokal im Berghotel Friedrichroda ist als Geduld forderndes Nadelöhr gestaltet. Und so quetschen sich die kleinen bunten Heerscharen aus der gesamten Bundesrepublik für jede der neun Runden Schnellschach eine einzige schmale Wendeltreppe hinauf. Eine erwartungsvolle fröhliche Karawane der schachbegeisterten Kinder samt ihrer Betreuer, Lehrer, Eltern und Großeltern.
Wir sind bei der Deutschen Meisterschaft der Grundschul-Mannschaften, liebe- und mühevoll ausgerichtet von der SG Blau-Weiß Stadtilm. Unser Team der "Grundschule am Markt Hettstedt" besteht aus Hieu Tran Minh, Hans Seidel, Jason Reitmann und Florian Leske, betreut von Dirk Michael und dem Opa von Hans. Unser Erik Seidemann konnte leider nicht mitkommen, doch Florian sprang kurzfristig als vierter Musketier ein. Obwohl kaum Turniererfahrung gewann er gleich die erste Partie mit schnellem Matt. In der zweiten machte Florian dann all jene Fehler, die ihm zu verzeihen ohnehin geplant war. Die Qualität der Partien bleibt wechselhaft, doch insgesamt spielt er deutlich besser als erwartet und sammelt viele Erfahrungen. Hieu am Spitzenbrett bekommt die stärksten Gegner und zeigt sich ihnen gewachsen. Er denkt sich clevere Dinge aus, was aber meist in Zeitnot führt - und im wilden Geholze der letzten Sekunden gehen die ergrübelten Errungenschaften gelegentlich wieder verloren. Noch größere Probleme mit der Schnellschach-Bedenkzeit hat aber Hans, der gewöhnlich für seine bedachtsame, alle Möglichkeiten gewissenhaft abwägende Spielweise gelobt wird. Nun plötzlich müsste er immer wieder im Sekundentakt Bauchentscheidungen treffen - unmöglich für den Hettstedter Chefanalytiker ! Hans ist unser tragischer Held, dem mehrfach in gewonner Stellung seine abgelaufene Zeit zum Verhängnis wurde. Jason spielt unbekümmert und trickreich - und manch leichtfertig heraufbeschworener Nachteil verwandelt sich drei Kniffe später doch noch in einen Gewinn. Zeitnot kennt er nur von den Nachbarbrettern.
Das Hotel ist für Kinder ausgezeichnet geeignet. Gelegen im Grünen, umgeben von vielfältigen Sport- und Spielstätten und mit richtig großem Hallenbad. So ist diese Deutsche Schulschachmeisterschaft, die in diesem Jahr noch um einige interessante Rahmenturniere erweitert wurde, wieder ein wahres Schachfestival für die Kinder. Es gibt ein üppiges Freizeitangebot, auf das das rührige Veranstalterteam um eine nimmermüde Kirsten Siebarth noch weitere Events aufgesattelt hat. Lediglich die gebetsmühlenartig direkt vor wirklich jeder Schach-Partie allen Teilnehmern verkündeten Botschaften zum Fußballturnier schienen etwas unverhältnismässig bei einer Deutschen Meisterschaft im SCHACH. Aber das ist wirklich nur das kleine Haar in der Suppe, insgesamt sind die Kinder glücklich und zufrieden. Obwohl das Turnier für Hettstedt nicht optimal verlief. Fünf Runden lang spielte das Team im Bereich der Spitzenbretter und sammelte recht ordentlich Punkte, z.B. bei einem Sieg gegen den späteren Neunten, die Grundschule Lankow Schwerin. Eine ausgekämpfte Niederlage gegen die DWZ-starke Private Grundschule Berlin-Pankow (4. Platz) war dann vielleicht unnötig, aber nicht untypisch. Ein wirklicher Schreck war aber das 1 : 3 gegen die Johanna-Mestorf-Schule aus Kiel. Hier war eine Truppe fast ohne DWZ aus dem Mittelfeld aufgetaucht, die aber natürlich trotzdem ordentlich Schach spielen konnte - und uns einfach besiegten. Diese vergebenen Punkte kann man in dem leistungmässig sehr eng beieinander liegenden Feld kaum noch aufholen. Allerdings war der Setzlistenplatz Nr. 9 auch eine gewaltige Ansage, speziell im unberechenbaren Schnellschach der Schulkinder. Der folgende hohe Sieg gegen Elmshorn und die Niederlage gegen München waren leistungsgemäss. In der letzten Runde war der Gegener die Lew Tolstoi Grundschule Berlin. Die Kinder erzählten uns, dass sie im gleichen Verein sind, wie die Kinder der Schule aus Pankow, die bereits unser Gegner war. Das Spiel der Hettstedter folgte wieder dem wohl bekannten Muster: Jason spielt munter auf, lässt ohne Grund einen Bauern einstehen, spielt munter weiter, gewinnt irgendwie und ist als Erster fertig. Hans verliert wieder den Kampf gegen die Schachuhr. Florian steht haushoch auf Gewinn, lässt alles wieder stehen und verliert durch Zeitüberschreitung. Bei Hieu wird die Zeit auch knapp, aber er hat einen Plan den er in den letzten Minuten präzise abspult und gewinnt. Ergebnis 2 : 2. In der Abschlußtabelle ergibt das Platz 21 unter 76 Mannschaften. Das ist recht ordentlich.
Es siegte die Wasserkamp-Schule aus Hannover, deren zweite Vertretung zudem noch einen beachtlichen 7. Platz belegte. Platz zwei und drei gingen an Mannschaften aus Leipzig von den Schulen Am Auwald und Markkleeberg West. Die Spitzenbretter aus Markkleeberg sehen wir übrigens schon im Sommerlager wieder. Die Uhlandschule Staßfurt auf Platz 10 war bester Vertreter unseres Bundeslandes.
Die Siegerehrung war ob der Masse der Kinder schwer zu händeln - ganz Festival eben - aber entscheidend für die Kinder war der stattliche Pokal für jeden Teilnehmer. Klasse! Als wir die Heimreise nach Hettstedt antreten, lacht die Sonne über uns, wie sie es während der gesamten Meisterschaft tat.
War noch was ? In der letzten Nacht war Jason eine zeitlang in der Toilette gefangen. Die Verriegelung war derart festgeklemmt, dass der Haustechniker mit Werkzeugkiste kommen musste, um ihn zu befreien.// Vor dem Spiel gegen die Tolstoi-Grundschule erklärt der Trainer: "Tolstoi hat das Buch "Krieg und Frieden" geschrieben." Kinder-Kommentar: "Ich glaube, das gibt es auch als Computerspiel."